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Wie Humor und Empathie den Weg zur Selbstständigkeit für Kinder mit Autismus ebnen

Ein tiefgreifendes Interview mit unserer Schulbegleiterin Sieglinde Meier. Die engagierte 48-Jährige teilt ihre Erfahrungen und Herausforderungen bei der Unterstützung eines Grundschülers mit Autismus-Spektrum-Störung. Sie spricht über ihre Ausbildung, die Bedeutung von Humor und Fantasie in ihrer Arbeit und die Strategien, die sie verwendet, um das Kind zu unterstützen und zur Selbstständigkeit zu befähigen.

Die gfi-Schulbegleiterin Sieglinde Meier sitzt auf einem Quad Bike

gfi: Wie lange arbeiten Sie bereits als Schulbegleitung und was hat Sie dazu bewogen, in diesem Bereich anzufangen?

Sieglinde Meier: Ich arbeite seit Juli 2016 in der Schulbegleitung. Ursprünglich habe ich in einer heilpädagogischen Einrichtung mit Schule und Tagesstätte geputzt. Dabei waren die Kinder immer bei mir, und eine Erzieherin hat mich gefragt, ob ich nicht Schulbegleitung machen möchte. Das war ein Aha-Moment für mich. Die Erzieherin hat mich ermutigt, eine Ausbildung in diesem Bereich zu absolvieren. Ich habe mich in der Tagesstätte über mögliche Ausbildungen informiert und die Ausbildung zur Heilerziehungspflegehelferin in der Fachschule in Ebenried empfohlen bekommen. Ich habe diese einjährige Ausbildung von September 2017 bis Juli 2018 absolviert, um Fachkenntnisse zu erwerben und mit schwierigen Kindern in der Schulbegleitung umgehen zu können.

 

gfi: Könnten Sie noch ein paar Sätze zur Ausbildung selbst sagen, für Personen, die sich für diesen Bereich interessieren?

S. M.: Die Ausbildung umfasst praktische und theoretische Teile, bei denen man seine Stärken und Schwächen erkennt. Während dieser Zeit realisierte ich, dass meine ruhige Stimme sich für Entspannungsarbeit eignen könnte. So kam die Idee, neben der Heilerziehungspflegehelferausbildung auch eine Ausbildung zur Entspannungspädagogin zu machen.

 

gfi: Benötigt man besondere Voraussetzungen für diese Ausbildung?

S. M.: Eine ruhige Stimme ist entscheidend, wie ich bei Kollegen mit lauten Stimmen feststellte, die nicht zur Entspannung beitrugen. Studien zeigen deutlich, wie Körper auf ruhige Stimmen reagierten. Für die Anmeldung braucht man eine abgeschlossene Berufsausbildung.

2018 startete ich die Ausbildung, was als ältere Person herausfordernd war. Da Lernen oft leichter fällt, wenn man jünger ist oder kontinuierlich in Bildung bleibt. Ich nahm Nachhilfe, die die Schule zur Unterstützung anbot. In der Praxis war ich stärker und erhielt eine gute Abschlussnote. Trotz der Schwierigkeiten war ich voller Begeisterung dabei.

 

gfi: Sie betreuen zurzeit einen Jungen mit Autismus-Spektrum-Störung. Könnten Sie einen typischen Tag als Schulbegleitung beschreiben? Wie sieht ein normaler Schulalltag aus?

S. M.: Jeder Tag in meiner Arbeit ist unterschiedlich und von Faktoren wie Wetter, Schlaf des Kindes und Alltagsgeschehen beeinflusst. Am Anfang des Tages erkundige ich mich bei der Mutter des Jungen nach seinem dem Wohlbefinden und wir erarbeiten gemeinsame Lösungen für den Tag. Die Tagesplanung liegt bei der Mutter, sodass ich mich auf die Unterstützung des Kindes konzentrieren kann.

Die Lehrerin stellt den Stundenplan mittels Piktogramme dar, und ich bereite den Jungen auf etwaige Änderungen vor. Ich helfe ihm, seine Schulsachen zu organisieren, und erkläre die Aufgaben zusätzlich, um sicherzustellen, dass er sie versteht. Der Austausch mit der Lehrkraft ist entscheidend für einen einheitlichen Lernweg.

Ich erinnere den Jungen an Mahlzeiten und Getränke und unterstütze ihn spielerisch beim Essen. Das Begleiten des Kindes zum Hort ist ebenso wichtig. Bei Überforderung wenden wir Entspannungsübungen an und mittlerweile erkennt er eigenständig, wann er eine Pause benötigt.

 

gfi: Ich würde gerne etwas genauer auf Ihre eigenen Herausforderungen eingehen. Wo stoßen Sie manchmal an Ihre Grenzen und wie gehen Sie damit um, um sich für den nächsten Tag fit zu machen?

S. M: Bei emotionalen Ausbrüchen, wie Weinen oder Schreien, kann es herausfordernd sein. Besonders wenn er dann direkt nach Hause zu seiner Mutter will. In diesen Fällen muss ich schnell handeln und Entscheidungen treffen, was das Kind braucht. Verletzt er sich muss ich ebenfalls schnell reagieren und in manchen Situationen die Mutter informieren. Dies kann mich an meine Grenzen bringen.

Wenn er träumt, versuche ich ihn humorvoll zurück in die Realität zu bringen. Mit etwas, dass ihn aufweckt und zum Lachen bringt. Bei Unfug weise darauf hin, dass es Zeit ist, zum Unterricht zurückzukehren und sich wieder auf das Lernen zu konzentrieren. Ich habe gelernt, dass Humor eine entscheidende Rolle spielt. Mit allzu ernstem Umgang funktioniert es nicht bei Autisten, meiner Erfahrung nach.

 

gfi: Das ist interessant, denn es bricht das Klischee von autistischen Menschen, die keinen Humor verstehen oder immer ernst sind. Hängt es von der Art der Autismus-Spektrum-Störung ab?

S. M: Autismus hat verschiedene Ausprägungen, und daher variieren die Reaktionen auf bestimmte Ansätze wie Humor. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass einige Menschen mit Autismus auf Humor reagieren, andere weniger. Aber ich habe festgestellt, dass Humor, soweit möglich, ein nützliches Werkzeug sein kann, um sie aus ihren besonderen Zuständen herauszulocken und eine Art Verbindung herzustellen.

Ein Beispiel dafür ist der Junge, mit dem ich derzeit arbeite. Die Beziehung, die wir aufgebaut haben, ist tiefgehend und vertrauensvoll. Und dies begann an unserem ersten Schultag zusammen. Um seine Ängste zu mindern, habe ich ihm offen von meinen eigenen Ängsten erzählt. Ich habe ihm auch von meinem Hobby, dem Quadfahren, erzählt, das ihn fasziniert hat.

Ein entscheidender Moment war, als er auf mein Quad stieg, um eine Fantasiereise zu machen. Dieser Akt des Mitmachens und der geteilten Fantasie ermöglichte es, sein Vertrauen zu gewinnen. So sehr, dass er mich sogar umarmte - eine Aktion, die seine Mutter erstaunte, da es ungewöhnlich war, dass ein Autist eine noch relativ fremde Person bereits beim zweiten Treffen umarmt. Zu diesem Zeitpunkt kannte er mich noch nicht gut. Das war ein emotionaler Moment für mich. Wir hatten viele emotionale Momente, aber dieser sticht heraus.

Die Schlüssel für den Vertrauensgewinn waren Authentizität, das Teilen meiner Ängste und die Anbindung an seine Interessen. Das Quadfahren war für ihn faszinierend und half, diese Verbindung aufzubauen.

Er hatte dann schnell seine anfängliche Schulangst überwunden und begann, Freude an der Schule zu haben.

 

gfi: Ihre Herausforderung besteht nicht nur darin, eine Beziehung zu dem Kind aufzubauen und aufrechtzuerhalten, sondern auch eine Beziehung zwischen dem Kind, den Klassenkameraden und den Lehrern zu ermöglichen. Wie gelingt Ihnen das? Welche Strategien nutzen Sie, um die Kommunikation zwischen ihnen zu erleichtern?

S. M: Ich zeige ihm, wie ich mit anderen Kindern oder Lehrern interagiere. Anstatt ihn sofort in Gespräche zu verwickeln, gebe ich ihm Zeit zum Ankommen und spreche zuerst mit den anderen Kindern. Ich frage sie nach ihrem Befinden, ihren Wochenendaktivitäten oder ihren sportlichen Vorlieben. Während ich das mache, beobachtet er mich und beginnt dann, mein Verhalten nachzuahmen und eigenständig mit den anderen zu sprechen.

Wenn es Probleme gibt, adressiere ich diese sofort und arbeite gemeinsam mit dem Kind an Lösungen, damit sich die Schwierigkeiten nicht aufstauen. Wenn jemand auf ihn zukommt und ihm eine Frage stellt, die er nicht beantworten oder verstehen kann, übersetze ich sie in eine Form, die er versteht. Sollte er entscheiden, dass er die Frage nicht beantworten will, respektiere ich das und teile dies dem Fragenden mit. Ich akzeptiere und respektiere seine Bedürfnisse. Dieses Verständnis ist essenziell für seine Entwicklung und das Aufbauen von Vertrauen.

Auch die Mutter des Kindes hat maßgeblich dazu beigetragen, indem sie mit ihm verschiedene soziale Kurse besucht hat, um ihn dabei zu unterstützen, besser mit anderen interagieren zu können. Es gibt einen regen Austausch zwischen Lehrkräften, Eltern und mir über Lernstrategien. Oftmals kommen Ideen von den Lehrer*innen oder dem Schulsozialarbeiter, auf die ich alleine nicht gekommen wäre. In solchen Fällen bin ich immer bereit, Unterstützung anzunehmen. Es ist völlig in Ordnung, sich Hilfe von Lehrer*innen, dem Schulsozialarbeiter*innen oder anderen Fachleuten zu holen. Durch diesen offenen Austausch mit den Eltern und Lehrkräften entsteht eine Gemeinschaft, die darauf ausgerichtet ist, dem Kind bestmögliche Unterstützung zu bieten.

 

gfi: Sie haben bereits erwähnt, wie Sie das Kind bei alltäglichen Aufgaben unterstützen. Gibt es noch andere spezifische Unterstützungsmaßnahmen, die Sie beschreiben können?

S. M: Wir haben bereits den Humor erwähnt. In meiner Arbeit habe ich mehrere Strategien eingesetzt, um den Jungen zu motivieren und in den Unterricht einzubeziehen. Eine dieser Methoden ist die Verwendung von Fantasie und Vorstellungskraft. Wenn wir beispielsweise in ein anderes Klassenzimmer gehen müssen, erzähle ich ihm eine Geschichte, dass Piraten dort auf uns warten. Er freut sich dann auf das Treffen mit den Piraten und geht bereitwillig mit, ohne Aufforderung oder Zwang. Ähnlich verfahre ich beim Schreiben, wenn er manchmal widerwillig ist. Ich motiviere ihn, indem ich ihn einlade, sich vorzustellen, wie wir auf einen Berg wie den Mont Blanc klettern und den Buchstaben wie einen Berg zeichnen. Auf diese Weise habe ich festgestellt, dass er das Schreiben tatsächlich genießt, besonders wenn ich es auf kreative und fantasievolle Weise einbringe.

Im Laufe der Zeit haben wir ein Verständnis aufgebaut, welches eine reibungslose Kommunikation ermöglicht, oft ohne Worte. Anstelle verbaler Anweisungen können wir jetzt mit einfachem Kopfnicken kommunizieren. Dieses nonverbale Kommunikationssystem funktioniert gut, besonders wenn wir den Unterricht nicht stören wollen. In ähnlicher Weise können wir auch Handbewegungen verwenden. Diese Methoden tragen dazu bei, seine Sicherheit zu erhöhen und ihm zu bestätigen, dass er die Dinge richtig macht. Sie sind Teil unserer kontinuierlichen Anstrengungen, um seine Lernerfahrung so positiv und effektiv wie möglich zu gestalten.

 

gfi: Ist es für ihn wichtig, die Dinge richtig zu machen? Macht er es, weil es seine Mutter sagt oder weil es wichtig ist, was andere sagen?

S. M: Der Junge, ist sehr ehrgeizig und strebt stets nach Bestätigung. Er möchte sicherstellen, dass alles richtig gemacht wird und keine Fehler auftreten. Anfangs musste ich ihm erklären, dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen und dass niemand perfekt ist. Es ist ein wichtiger Teil seines Lernprozesses, Fehler zu akzeptieren und daraus zu lernen. Wenn er Fehler bemerkt oder ein Blatt falsch ausgefüllt ist, kann dies oft zu Diskussionen führen. Menschen mit Autismus wollen immer alles richtig haben. Das ist Teil ihrer Struktur. Der Perfektionismus kommt nicht von seiner Mutter, sondern ganz von ihm alleine.

In der Schulumgebung gibt es jedoch auch Situationen, die unstrukturiert und unvorhersehbar sind, wie zum Beispiel die große Pause, in der die Kinder wild herumlaufen und spielen. Solche Situationen können für Autisten eine Herausforderung darstellen, da sie nicht im Voraus wissen, was passieren wird und wie sie sich verhalten sollen. Daher ist es wichtig, das Kind in solchen Situationen zu unterstützen und ihm zu helfen, sich anzupassen und mit unstrukturierten Umgebungen umzugehen.

 

gfi: Können Sie bestimmte Techniken beschreiben, die Sie in unvorhergesehenen Stresssituationen einsetzen?

S. M: Zuerst muss ich selbst entspannt sein. Denn er spürt das sofort. Wenn ich nicht entspannt bin, kann ich ihn auch nicht zur Entspannung bringen. Wir machen gemeinsam autogenes Training und Muskelentspannung. Wir verwenden Fantasiereisen, Atem- und Massageübungen. Manchmal lasse ich entspannende Musik im Hintergrund laufen. Außerdem nutzen wir spezielle Klopftechniken, bei denen man bestimmte Körperstellen abklopft, um Spannungen zu lösen.

Bei den Klopftechniken geht es darum, dass alles lockerer wird. Ich sage ihm, dass er seinen Kopf auseinanderziehen soll, um Platz für neue Gedanken zu schaffen, und dann klopfen wir. Wir klopfen von innen nach außen, um alles herauszuklopfen. Manchmal klopfen wir auch, um den Appetit anzuregen. Es sind visuelle Techniken, etwas Neues und Kreatives, das wir eingeführt haben.

 

gfi: Gibt es spezielle Aktivitäten oder Räume, die Sie außerhalb des Klassenzimmers nutzen, oder begleiten Sie ihn auf dem Pausenhof und versuchen, ihn durch das Chaos zu leiten?

S. M: Zu Beginn benötigte der Junge meine Unterstützung während der Pausen, doch mittlerweile hat er gelernt, diese Zeit selbstständig zu gestalten. Er hat das Ballspiel für sich entdeckt, was ihm Sicherheit gibt. Ich behalte ihn jedoch immer im Blick. Es ist beeindruckend zu beobachten, wie er eigenständig mit seinen Klassenkameraden und Kindern aus anderen Klassen interagiert, trotz seiner anfänglichen Schwierigkeiten im Umgang mit Fremden.

Die Schule und der Pausenhof sind mittlerweile Orte der Sicherheit für ihn geworden, ein Erfolg, den wir gemeinsam erarbeitet haben. Manchmal benötigt er die Möglichkeit, überschüssige Energie abzubauen, indem er einfach wild herumrennt. Nach solchen Phasen kehrt er ausgeglichen zurück.

Er hat bestimmte Lieblingsspielzeuge, wie ein Holzschiff, das er "Titanic" nennt, und hält sich gerne am Steuerrad fest. Diese Gegenstände geben ihm Sicherheit. Im Klassenzimmer gibt es ähnliche Lieblingsobjekte, wie ein bestimmtes Buch oder ein Stuhl. Ich nutze diese Objekte, um ihn in neue Umgebungen, zum Beispiel in ein anderes Klassenzimmer, zu ‚locken‘.

Bei Schulausflügen ist eine gute Vorbereitung entscheidend. Seine Mutter übernimmt hierbei eine große Rolle und bereitet ihn bereits Tage im Voraus auf den Ausflug vor. Während der Fahrt begleite ich ihn im Bus, sitze jedoch nicht direkt neben ihm. Bei Verletzungen oder Unfällen während der Ausflüge kommen wir manchmal an unsere Grenzen, doch Atemtechniken helfen, ihn zu beruhigen.

 

gfi: Ihr Job ist es, ihn zu immer mehr Selbstständigkeit zu erziehen, indem Sie sich immer weiter von seinem Sichtfeld oder seinem Sicherheitsraum entfernen, sodass er immer mehr alleine machen kann?

S. M: Genau, es geht darum, ihm zu helfen, selbstständig zu werden. Das Kopfnicken fasziniert mich immer wieder. Es ist ermutigend zu sehen, wie er zunehmend selbstständig wird. Sein Übergang zum selbstständigen Gehen in den Hort und seine Fähigkeit, sich im Pausenhof zurechtzufinden, sind große Erfolge. Die Freude an der Schule, die er hat, und seine Sehnsucht danach während der Ferien sind weitere positive Zeichen. Sein Vertrauen und Respekt gegenüber Lehrern und Schülern ist bemerkenswert.

Es ist beeindruckend, wie der Junge nicht nur Regeln befolgt, sondern auch versteht und erklären kann, warum sie wichtig sind. Seine Fähigkeit, seine Perspektive zu teilen, ist wertvoll und faszinierend. Er kann besonders gut Dinge erklären, die wir Erwachsene oft gar nicht können oder als sehr schwierig empfinden. Er ist wirklich etwas Besonderes.

 

gfi: Haben Sie Erfahrungen gemacht, in denen Sie sich einmischen mussten und gesagt haben, dass man ihn in Ruhe lassen soll? Wie lösen Sie solche Situationen auf, da die anderen Kinder möglicherweise aus Unwissenheit handeln und nicht bösartig sind?

S. M: Ich spiele eine wichtige Schutzrolle für den Jungen. Seine Klassenkameraden verstehen, wie sie mit ihm umgehen müssen, aber auf dem Pausenhof gibt es Kinder aus anderen Klassen, die weniger einfühlsam sind. In solchen Situationen greife ich ein, um Aggressionen zu vermeiden und die Situation zu klären. Meine Rolle als Schulbegleitung ist nicht nur unterstützend, sondern auch schützend, besonders in Umgebungen mit Kindern, die seine Bedürfnisse nicht verstehen. Es ist bemerkenswert, wie seine eigene Klasse eine Gemeinschaft von Verständnis und Mitgefühl bildet.

 

gfi: Könnten Sie etwas zur Zusammenarbeit mit der Schule, den Lehrer*innen und der Mutter sagen?

S. M: Ich arbeite eng mit den Lehrer*innen zusammen, auch außerhalb meiner Arbeitszeit, um auf spezifische Schwächen wie Rechenschwäche oder Deutschschwäche einzugehen. Wir planen gemeinsam, wie wir diese Herausforderungen angehen und den Jungen auf die nächste Klasse vorbereiten können. Regelmäßige Gespräche sind wichtig, um ihn besser unterstützen zu können und auch den Lehrern zu helfen. Meine Beobachtungen können sich von denen der Lehrer unterscheiden, daher ist der Austausch für beide Seiten wertvoll.

Mit der Mutter des Jungen habe ich einen engen und klaren Austausch. Sie leistet viel für ihr Kind, was maßgeblich zu seinem aktuellen Erfolg beiträgt. Der Austausch mit dem Schulsozialarbeiter ist ebenfalls wichtig. Manchmal hole ich mir von dem Sozialarbeiter eine andere Perspektive oder Unterstützung in bestimmten Situationen. Es ist wichtig, Unterstützung zu suchen, daher pflege ich regelmäßigen Austausch. Die Kommunikation ist entscheidend.

 

gfi: Was würden Sie anderen Schulbegleitungen raten, die gerade erst anfangen? Sowohl im Umgang mit Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung als auch allgemein im Umgang mit Kindern mit Behinderungen? Was ist Ihr Rat als erfahrene Schulbegleitung?

S. M: Hilfe von Lehrer*innen oder Sozialarbeiter*innen anzunehmen. Sie müssen nicht alles alleine bewältigen. Wenn Sie keine Unterstützung von einem Lehrer erhalten, wenden Sie sich an den Schulleiter oder suchen Sie anderweitig Hilfe. Ein regelmäßiger Austausch mit den Eltern ist ebenfalls wichtig. Wobei man, sowohl positive als auch negative Rückmeldungen geben muss.

Arbeiten Sie eigenständig und selbstbewusst. In Extremsituationen, zum Beispiel wenn die Lehrkraft den Raum verlässt und das Kind ausrastet, müssen Sie wissen, wie Sie reagieren sollen. Seien Sie deswegen offen für Weiterbildungen und lernen Sie dort, wie Sie in bestimmten Situationen vorgehen können. Bevor Sie sich für die Ausbildung zur Schulbegleiter*in entscheiden, hospitieren Sie in verschiedenen Einrichtungen und beobachten Sie, wie andere Schulbegleiter*innen arbeiten. Das gibt Ihnen einen Einblick in die Praxis und hilft Ihnen zu entscheiden, ob Sie dafür geeignet sind.

Vergessen Sie nicht, sich selbst Pausen zu gönnen und auf Ihre eigenen Bedürfnisse zu achten. Wenn Sie an Ihre Grenzen kommen, können Sie dem Kind nicht mehr helfen. Seien Sie einfühlsam und ehrlich, sowohl zu sich selbst als auch zu dem Kind. Autisten haben feine Antennen und spüren Ihre Authentizität.

Eine gute Beobachtungsgabe ist entscheidend für die Arbeit als Schulbegleitung. Sie müssen in der Lage sein, das Kind zu beobachten und Ihre Beobachtungen weiterzugeben. Helfen Sie dem Kind, sich selbst zu helfen, und fördern Sie seine Bedürfnisse. Wenn Sie sehen, dass das Kind zum Beispiel gerne malt, sprechen Sie mit der Mutter darüber, ob es einen Malkurs besuchen kann.

Helfen Sie den Kindern nicht zu schnell, sondern lassen Sie sie selbst machen. Seien Sie geduldig und lassen Sie das Kind sich selbstständig entwickeln.  Diese Geduld zu besitzen und sie sich anzueignen ist für eine Schulbegleitung eine gute Herausforderung.

 

die gfi: Frau Meier vielen Dank für die Einblicke in Ihre Arbeit als Schulbegleiterin.

 

Das Angebot  „Schulbegleitung“ bieten wir an mehreren Standorten bayernweit an.