
“Das Arbeiten mit der Gruppe ist eine Freude” berichtet Birgit John. Ein knappes Jahr schon unterrichtet sie sechs junge Autist*innen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren, die eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme in der Erlanger MAut besuchen. Sie haben alle einen Schulabschluss, der Eintritt ins Arbeitsleben fällt ihnen aufgrund ihrer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) oft schwer. An einem Tag pro Woche feilt Birgit John mit den jungen Menschen an ihren sozialen Kompetenzen. Dafür haben sie ein Jahr lang Zeit, so lange gehen Johns Schützlinge hier in den Unterricht mit Theorie, Praxis und Betriebspraktika.
Menschen ohne Autismus besser verstehen
Vermittelt und zugewiesen werden die Teilnehmenden an das MAut-Zentrum über die Bundesagentur für Arbeit, sie finanziert die Maßnahme. Ausführender Träger ist die gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) Mittelfranken.
“Die Schüler*innen sagen mir, dass sie mit manchen Herausforderungen jetzt sicherer umgehen können”, erzählt Dozentin John. Sie trainiert mit ihnen soziale Kompetenzen nach einem Konzept, das spezifisch für Jugendliche mit Autismus entwickelt wurde. Ein erster Baustein dabei ist das Thema Gefühle. ASS-Betroffene haben häufig Schwierigkeiten, eigene Emotionen zu benennen oder sie bei Mitmenschen zu deuten.
So beginnt Birgit John jeden Unterrichtstag mit der Frage: “Wie geht es dir heute?” Und später spezifischer: “Welches Gefühl hattest du in den Ferien? Wie fühlst du dich im Hinblick aufs Praktikum?” Als Inspiration für ihre Antwort wählen die Teilnehmenden aus farbigen Dreiecken, die jeweils für eine Emotion stehen, und dann erzählen. “Im Lauf der Zeit können sie ihre Gefühle immer differenzierter benennen”, berichtet John, “und lernen damit auch, Menschen ohne Autismus besser zu verstehen”. Neben Emotionen geht es in ihrem Unterricht auch um Telefongespräche, nonverbale Kommunikation und Small Talk: “Den haben einige gleich bewusst am Bahnhof oder in den Pausen beim Praktikum geübt”, sagt John stolz.
Erfolgreiche Ausbildungssuche
Bildungsbegleiterin Carina Späth von der gfi ist mit einer Kollegin die Schnittstelle zwischen den Teilnehmenden, ihren drei Lehrkräften, Eltern, der Arbeitsagentur und den potentiellen Ausbildungsbetrieben. “Die Teilnehmenden haben viel gelernt in diesem Jahr”, beobachtet auch sie und benennt neben dem Training von Soft Skills den Austausch zwischen den Teilnehmenden. “Es ist total schön, diese Entwicklung zu sehen”, berichtet sie in Erinnerung an den Maßnahmenbeginn im September, als jede*r noch für sich war. Mittlerweile arbeiten die MAut-Teilnehmenden gemeinsam an einem selbst gebauten und konzipierten Schachspiel mit eigenen Regeln.
Im Integrationszentrum sind nicht nur die Inhalte auf die Bedürfnisse von Menschen mit Autismus ausgerichtet. Auch die Örtlichkeiten: Es gibt zum Beispiel einen Entspannungsraum, in den sich die Jugendlichen zurückziehen können, dimmbares Licht und wenig Einrichtungsgegenstände, um überflüssige Reize zu vermeiden.
Die Kombination aus Theorie in Fächern wie Deutsch, Mathematik, EDV oder BWL mit Praxis in Bereichen wie Handwerk oder Technik, individueller Analyse und Ausprobieren eigener Fähigkeiten, Sozialtraining, Betriebspraktika und konkreter Unterstützung bei der Ausbildungssuche zahlt sich aus: Vier Schüler*innen haben bereits sicher einen Ausbildungsplatz in der Tasche, und auch bei den anderen erkennt Bildungsbegleiterin Späth “viel Stabilisierung”. Ab September startet der neue Jahrgang für autistische Jugendliche mit Schulabschluss auf Ausbildungssuche. Von insgesamt neun Plätzen sind noch einige frei.